Umgang mit Reaktionen auf belastende Ereignisse

Beratung für Betroffene und deren Angehörige

Kritische Lebensereignisse wie menschliche und materielle Verluste, Notfälle, Unfälle, Naturkatastrophen, Schicksalsschläge oder Bedrohungslagen können bei den Betroffenen starke Reaktionen nach sich ziehen, welche direkt nach dem Ereignis oder auch mit zeitlichen Verzögerungen von Stunden, Tagen oder Wochen und sowohl einzeln als auch gehäuft auftreten können.

Das Wichtigste: Alle möglichen Reaktionen sind grundsätzlich erst einmal normal und gesund.
Treten sie auf, benötigt man in aller Regel eine Erholungsphase von meist wenigen Tagen.

Das Spektrum dieser möglichen Reaktionen lässt sich in vier Kategorien einteilen:

1) emotional:
Ängste, Schuldgefühle, Hilflosigkeit, Unsicherheit, Beklemmung, Niedergeschlagenheit, starke Trauer, Wut(-ausbrüche), Panikattacken, erhöhte Reizbarkeit, depressive Verstimmungszustände, Gefühlsarmut oder Gefühlslabilität

2) verhaltensspezifisch:
Hektik, Rast-, Ruhe- und Schlaflosigkeit, verstärkter Konsum von Genussmitteln, Überempfindlichkeit, ausweichendes Verhalten, Rückzug, verändertes Sprachbild/-muster, veränderter Sprachgebrauch, Veränderungen im sozialen Umfeld, Gefühlsausbrüche, unkontrollierte Bewegungen oder Risikosuche

3) physisch:
Übelkeit, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen, Muskelschmerzen, erhöhter Herzschlag, Atemprobleme, Schweißausbrüche, Schwindel-, Schwächeanfälle, Benommenheit, Müdigkeit, Sehschwäche, Erbrechen, Schüttelfrost, Muskelverspannung, Kopfschmerzen, vermehrte Flüssigkeitsaufnahme, Bluthochdruck, Hyperventilation oder Schocksymptome

4) kognitiv (geistig):
Konzentrations- und Gedächtnisschwächen, Desorientierung bzgl. Zeit, Raum und/oder Personen, überhöhte/reduzierte Reaktionsbereitschaft, allgemeine Verwirrtheit, Konfusion, Albträume, Misstrauen, Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfindung, verstärkte/reduzierte Wahrnehmung des Umfeldes, verminderte Aufmerksamkeit, geistige Abwesenheit oder Überforderung

Sollten sich ausnahmsweise die beschriebenen Reaktionen nach spätestens 4 Wochen nicht wesentlich gebessert haben, so kann es sein, dass die Reaktionen als Symptome zu verstehen sind, zu dessen Bewältigung Hilfe notwendig sein kann.
Auch in diesem Fall bieten wir unsere Unterstützung an.

 

Nach einem kritischen Ereignis sind eine oder mehrere dieser Reaktionen völlig normal und kein Anlass zur Sorge. Um die Reaktionen abzuschwächen oder abzustellen, sollten Sie jedoch versuchen, nachfolgende Hinweise zu befolgen:

  • Verschaffen Sie sich Überblick und Orientierung in der Situation und sorgen Sie zwischendurch für etwas Durchatmen. Klärung und Sicherstellung der Lebensbedingungen ist die Voraussetzung für eine ruhige Verarbeitung der Ereignisse und zielgerichtete Neuausrichtung. Schauen Sie, wer Sie bei Sicherstellung primärer Bedürfnisse (Wohnen, Mobilität, Kleidung, Geld, Gesundheit usw.) unterstützen kann. Suchen Sie sich Orte und Personen, bei denen Sie sich sicher fühlen.
     
  • Sorgen Sie für sich. Essen Sie möglichst wie gewohnt. Sollte Ihnen das Hungergefühl fehlen, hilft es hier, wenn Sie einen kleinen Bissen essen, einen Wecker auf 30 Minuten stellen oder jemanden bitten, Sie zu erinnern und wieder einen kleinen Bissen zu essen. Nachdem Sie das 3 bis höchstens 5 mal gemacht haben, werden Sie wieder ganz normal Hunger verspüren und ganz normal essen können.
     
  • Trinken Sie nicht mehr Alkohol als gewöhnlich. Alkohol verkürzt die Traumphasen im Schlaf und verlängert somit die Zeit, die Sie zur Erholung brauchen. Je weniger Alkohol Sie trinken, desto schneller werden Sie sich erholen.
     
  • Reden Sie über das Ereignis, wenn Ihnen danach ist, ABER lehnen Sie Gesprächsangebote auch ab, wenn Sie im Moment nicht über das Ereignis oder Ihren eigenen Zustand sprechen wollen. Reden Sie dann gerne über etwas anderes oder erlauben Sie sich zu schweigen. Halten Sie Kontakt zu Personen, die Ihnen gut tun.
     
  • Denken Sie darüber nach, was Ihnen in anderen schweren Situationen oder ganz allgemein schon einmal geholfen hat.

Mit diesen genannten Hinweisen sollten Sie schnell zu Ihrem gewohnten Befinden und zu normalen Verhaltensweisen zurückfinden.

 

Haben Sie betroffene Kolleg:innen, Angehörige oder Freund:innen? Dann können Ihnen diese Punkte weiterhelfen:

  • Wenn Sie praktisch helfen können, dann tun Sie es. Machen Sie mit und packen Sie an, wenn es von dem:der Betroffenen gewünscht ist.
     
  • Fragen Sie den:die Betroffene:n nicht jeden Tag, wie es ihm geht.
    Besser als „Wie geht es Dir?“ eignet sich die Frage: „Wie geht es Dir heute?“ – denn so zeigt man, dass man verstanden hat, dass sich der Mensch vielleicht gerade von Tag zu Tag hangelt.
     
  • Nicht drängen, detailliert zu berichten, warum oder wie das Ereignis passiert ist. Wenn der:die Betroffene aber von sich aus erzählt, dann hören Sie zu und bieten Halt an.
     
  • Während sich manche direkt in die Arbeit stürzen, brauchen andere Raum, um sich zurückzuziehen und möchten erst einmal nicht mit Arbeit überschüttet werden oder brauchen Zeit, um sich zu orientieren und ihre Lebensumstände und Normalität wiederherzustellen. Wenn der:die Betroffene Ihnen Grenzen aufzeigt, halten Sie diese ein. Sagt er:sie Ihnen beispielsweise, er:sie möchte nicht auf die Situation angesprochen werden, sollten Sie das akzeptieren.