Therapy-Slang: Schlusswort

„Am Anfang war das Wort – am Ende die Phrase“ (S. Lec)

 

Nach mehr als einem Jahr kommt diese Reihe an ihr Ende, ohne dass das Thema damit erschöpfend auserzählt ist. Gleichwohl sind wir überzeugt, dass unsere Expertinnen und Experten einen guten Überblick über die gängigen Begrifflichkeiten zu psychischen Störungen und Krankheiten geben konnten. Danke an alle, die mitgemacht haben. Die Reihe schließt mit einem kleinen, durchaus etwas zugespitztem Appell über den Gebrauch von Worten.

 

Es ist unbedingt zu begrüßen, dass Themen der mentalen Gesundheit entstigmatisiert werden und damit einhergehend, ein (psycho-)therapeutisches Vokabular in unseren Alltag Einzug hält. Doch mittlerweile hat sich vielerorts ein sogenannter „Therapy Slang“ in unserer alltäglichen Sprache etabliert. Im therapeutischen Jargon „setzen wir Grenzen“ oder „nehmen uns den Raum“, mutmaßen über eine „toxische Unternehmenskultur“, kommen zu dem Schluss, dass „alle Führungskräfte narzisstisch sind“ oder unsere Beziehung zwischen „Gaslighting oder Love Bombing“ changiert oder bezeichnen uns selbst als „beziehungsunfähig“ oder „hochsensibel“.

 

Wie bei allen Fachthemen gilt auch hier, dass ein grundsätzliches Verständnis über die Themen gegeben sein sollte. Daher war es eine Intention der Reihe zu zeigen, welche Wirkung Worte entfalten können. Unsere Expertinnen und Experten wollten aufklären, auf die zweifelhafte Verwendung von Begriffen aufmerksam machen, diese fachlich erläutern und sie vom alltäglichen Gebrauch abgrenzen. Es ging im Wesentlichen darum, Verständnis für den bedachten Gebrauch von Worten zu wecken – auch durch das Betonen, was Zuschreibungen wie „du bist so…“ beim Gegenüber auslösen können.

 

Es kann hilfreich und erhellend sein, den Sprachgebrauch von ausgebildeten Therapeutinnen und Therapeuten in den Medien zu beobachten und ihnen aufmerksam zuzuhören. Das Konsumieren von Videos in den sozialen Medien ist jedoch kein diagnostischer Qualifikationsnachweis. Liegt den von Fachleuten in die sozialen Netzwerke eingespeisten Videos oft eine psycho-edukative Absicht zugrunde, so kann unser oft unreflektiertes Verhalten als Empfänger zu einer unguten Entwicklung führen. Pointiert formuliert: Nur weil ich wie eine Therapeutin spreche, bin ich keine. Nur weil ich mich gern mit den Themen beschäftige und einiges darüber lese, bin ich kein Experte.

 

Wir sollten mit unserem Team oder unserem Freundeskreis nicht wie mit Patienten sprechen. Das gereicht niemandem zum Vorteil: weder unserem Gesprächspartner, der uns vielleicht nur sein Herz ausschütten möchte, noch uns selbst, weil wir uns letztlich wenig empathisch verhalten, und auch nicht den wirklich Betroffenen, die oft mit vielen Einschränkungen in ihrem Leben zurechtkommen müssen und Hilfe benötigen und last but not least zeugt es auch nicht von Wertschätzung den ausgebildeten Expertinnen und Experten gegenüber.

 

TikTok, Instagram oder so manch‘ flott geschriebener Artikel in den analogen Medien sind als fachliche Grundlage unzureichend. Wir sollten uns bewusst machen, dass sehr komplexe Situationen manchmal in maximal 30-sekündige Videos komprimiert wurden. Die Gefahr, Worte aus dem Zusammenhang zu reißen und sie dadurch zu verwässern und Halbwissen und Fehlinterpretationen zu verbreiten, ist groß. Ein pseudo-wissenschaftliches Sprechen verleiht unseren Aussagen keine größere Tiefe oder mehr Gewicht.

 

Vielmehr sollten wir unsere eigene Sprache finden. Das Finden der passenden Worte, das Versprachlichen von Gefühlen und dem eigenen Befinden kann anstrengend sein, aber es lohnt sich. Und ja, manchmal dauert es, bis wir die für uns richtigen Worte gefunden haben. Doch das Verstecken hinter Fachbegriffen, die vermeintlich sachliche – geradezu klinische – Hülle, verhindert echte Auseinandersetzung.

 

Nur so viel: Wollen wir einen Konflikt ansprechen, sprechen wir ihn an. Wollen wir uns aus einer Beziehung lösen, beenden wir diese. Hadern wir mit einem Thema, suchen wir uns fachkundige Hilfe. Denn nach wie vor gilt: Reden hilft, aber ohne Therapy Slang.