Therapy-Slang: Bipolare Störung

Zwischen Höhenflug und dunklem Abgrund

Wer kennt nicht die Situation: in einem Moment gleichsam vor Glück die Welt umarmen und im nächsten Moment sich unter einer Decke verkriechen zu wollen. Stimmungsschwankungen unterliegen wir allen. Doch bei Menschen mit einer bipolaren Störung kann man nicht von den Schwankungen sprechen, die eine alltägliche Varianz unseres Gefühlslebens darstellen.

 

Katharina Staben, psychologische Psychotherapeutin und EAP-Beraterin bei INSITE, klärt in diesem Beitrag über das tatsächliche Krankheitsbild auf.

 

Bipolare Störungen sind komplexe psychische Erkrankungen, die das Leben der Betroffenen in vielerlei Hinsicht beeinflussen. Patientinnen und Patienten schwanken zwischen manischen Phasen extremer Euphorie und depressiven Episoden tiefer Verzweiflung. Diese Störung betrifft nicht nur die Stimmung, sondern beeinflusst auch das Denken, das Verhalten und die Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen. Aus diesen zwei extrem unterschiedlichen Phasen leitet sich auch der Name der Krankheit ab: "Bi" bedeutet zwei, "polar" so viel wie entgegengesetzt – also zwei entgegengesetzte Stimmungen. Etwa drei bis fünf Prozent der Menschen leben mit einer bipolaren Störung.  


Die manischen Phasen sind durch übermäßige Energie, impulsives Verhalten und eine erhöhte Risikobereitschaft gekennzeichnet. Während dieser Episoden können Betroffene ein gesteigertes Selbstwertgefühl an den Tag legen, viele benötigen weniger Schlaf, sind leicht reizbar, oft distanzlos und übermäßig aktiv. Bis dahin, dass Betroffene in dieser Phase ungewöhnliche Entscheidungen treffen, die in der Folgezeit negative Konsequenzen nach sich ziehen, wie bspw. der Erwerb einer Immobilie oder die Gründung einer Firma. Die entgegengesetzte Phase kann geprägt sein von tiefer Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Rückzug. Suizidgedanken und -versuche sind während dieser Phasen leider nicht ungewöhnlich.

 

Hinzu kommt, dass es erschwerende Gründe gibt, eine Diagnose zu stellen, so dass oft eine lange Zeit vergeht, bis Betroffene Gewissheit erhalten:

 

1.) Eine bipolare Störung beginnt oft in jungen Jahren mit ausschließlich depressiven Phasen. Erst wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine erste manische Episode auftritt, kann eine bipolare Störung diagnostiziert werden.

2.) Stimmungsschwankungen kommen auch bei anderen psychischen Erkrankungen, wie z.B. der Borderline-Störung vor. Eine genaue Erfassung der aktuellen und zurückliegenden Symptome von Fachpersonen– oft auch mit Unterstützung von Angehörigen – ist wichtig, um die Erkrankungen von anderen unterscheiden zu können. 

3.) Auch das Erkennen von manischen Phasen kann schwierig sein, da diese Beschwerden auch in abgemilderter Form bestehen können und von den Betroffenen selbst nicht unbedingt als problematisch erlebt werden. 

 

Warum manche Menschen eine bipolare Störung entwickeln, ist noch nicht vollständig geklärt. Pointiert formuliert lässt sich sagen, dass es „bio-psycho-soziale“ Gründe geben kann; biologische, wie eine genetische Veranlagung oder ein Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn, psychologische, wie Belastungen oder Traumata in der Kindheit, aber auch soziale, wie finanzielle Sorgen oder der Tod einer nahestehenden Person können Ursachen sein.[1]

 

Die Behandlung von bipolaren Störungen erfordert in der Regel eine Kombination aus Medikamenten und Psychotherapie. Medikamente können helfen, Stimmungsschwankungen zu stabilisieren und die Symptome zu lindern. Die medikamentöse Behandlung bipolarer Störungen ist eine Herausforderung, da diese in den unterschiedlichen Krankheitsphasen gleichermaßen wirken sollen. Außerdem besteht das Risiko, dass Betroffene v. a. in den manischen Phasen, die ja nicht als belastend, sondern „beflügelnd“ erlebt werden, die Medikamente wieder absetzen.

 

Eine Psychotherapie kann den Betroffenen helfen, Strategien zur Bewältigung ihrer Erkrankung zu erlernen und gesunde Verhaltensweisen zu fördern. Viele Betroffene und Angehörige erleben darüber hinaus Selbsthilfenetzwerke als wichtige Ergänzung.

 

Es ist wichtig zu betonen, dass bipolare Störungen eine ernsthafte Erkrankung sind, die eine angemessene Diagnose und Behandlung erfordern.  Mit der richtigen Unterstützung und Behandlung können Menschen mit bipolaren Störungen ein erfülltes Leben führen. Die Aufklärung über diese Erkrankung und die Beseitigung von Stigmata sind entscheidend, um Betroffenen eine unterstützende Umgebung zu bieten, in der sie sich nicht allein fühlen und angemessene Hilfe erhalten können.[2]

 

 

 


[1] Bipolare Störung - Psychische Gesundheitsstörungen - MSD Manual Ausgabe für Patienten (msdmanuals.com)

[2] Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS): https://dgbs.de/