Morgens der erste Kaffee, schon trudeln die E-Mails ein, der Kalender platzt aus allen Nähten – und dann noch die Info: Ein Kollege geht, das Team wird kleiner, die Aufgaben bleiben. Solche Situationen kennen viele von uns. Veränderung ist längst Teil des Arbeitsalltags geworden – doch selten war sie so spürbar wie heute. Ob Personalabbau, Standortschließungen, Fachkräftemangel und steigende Anforderungen, aktuell spüren viele Beschäftigte und Führungskräfte eine besonders hohe Belastung, mental wie körperlich.
Gerade jetzt wird deutlich: Gesundheitsorientierte Führung ist kein „Nice-to-have“, sondern ein entscheidender Faktor für die Zukunftsfähigkeit von Organisationen. Mehr dazu verrät Ihnen Antonia Kaluza, Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologin an der Goethe-Universität Frankfurt; Psychologische Psychotherapeutin; Autorin „Führung und Wohlbefinden am Arbeitsplatz – Wie Führungskräfte ihre eigene Gesundheit und die von Mitarbeitenden stärken können“, in diesem Beitrag.
Führung als Gesundheitsfaktor
Wie Führungskräfte agieren, hat messbare Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden – besonders in Krisenzeiten. Eine Studie von Klebe, Felfe und Klug (2021) unterstreicht dies eindrücklich: Wenn Teilnehmende sich in ein Szenario versetzen, in welchem Führungskräfte sensibel auf Belastungen reagieren, berichten sie von einer besseren mentalen Gesundheit, vor allem dann, wenn die Situation im Szenario sehr stressig und belastend war. Ein ähnliches Bild zeigt sich während der Corona-Pandemie: Beschäftigte, die stark von der Krise betroffen waren, profitierten besonders von einer gesundheitsförderlichen Führung (Klebe et al., 2021).
Was heißt eigentlich „gesund führen“?
Ob „gesundheitsförderliche Führung“, „healthy leadership“ oder „gesundheitsorientierte Führung“ – alle Begriffe umfassen Haltung, Werte und Verhalten, die auf den Erhalt und die Förderung von Gesundheit im Arbeitskontext abzielen. Das bedeutet, es ist nicht nur das konkrete Verhalten wichtig, wie beispielsweise gesunde Arbeitsbedingungen zu schaffen, Stressoren abzubauen und Pausen zu fördern. Auch die Achtsamkeit für Gesundheitsthemen (z.B. Belastungssignale früh zu erkennen, Überlastung wahrzunehmen) sowie die Wertschätzung von Gesundheit (z.B. durch Vorbildfunktion und klar kommunizierte Priorität der Gesundheit im Alltag) sind entscheidend.
Ein Modell, welches diese verschiedenen Aspekte berücksichtigt, ist das Health-oriented Leadership (HoL-) Modell von Pundt und Felfe (2017). Ein zentraler Gedanke des HoL-Modells ist: Führungskräfte können nur dann gut für die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden sorgen, wenn sie auch auf ihre eigene achten. Das heißt, auch die Gesundheit und Selbstfürsorge der Führungskräfte sind relevant. Das ist nicht nur logisch, sondern auch empirisch belegt: Führungskräfte, die Pausen machen, ihre Grenzen respektieren und nicht „krank zur Arbeit kommen“, fördern auch bei ihren Teams ein gesundes Verhalten.
Warum gesunde Führung kein Einzelprojekt sein darf
Doch selbst die engagierteste Führungskraft stößt an Grenzen, wenn das Unternehmen kein gesundes Umfeld bietet. Ein positives Gesundheitsklima – also der wahrgenommene Stellenwert von Gesundheit im Unternehmen – beeinflusst maßgeblich, ob gesundheitsorientiertes Arbeiten und Führen überhaupt möglich ist. Studien belegen: In Unternehmen mit einem positiven Gesundheitsklima achten Führungskräfte deutlich stärker auf Gesundheit und verhalten sich entsprechend, was wiederum das Wohlbefinden der Mitarbeitenden stärkt (Kaluza et al., 2020).
Gesund führen – kleine Schritte, große Wirkung
Gesundheitsförderung muss nicht immer groß und spektakulär sein. Schon einfache Maßnahmen machen einen Unterschied: Ein authentisches „Wie geht es Dir?“, ein aufmerksamer Blick oder ein ehrliches „Mach heute mal pünktlich Schluss“. Sie ist kein großes Programm, sondern eine innere Haltung. Und es lohnt sich: Gesundheitsförderliche Führung verbessert nicht nur das Wohlbefinden der Mitarbeitenden, sondern auch das der Führungskräfte selbst. Und: Sie trägt messbar zu Motivation, Engagement und langfristiger Leistungsfähigkeit bei.
Wer mehr wissen möchte, dem sei das Buch „Führung und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Wie Führungskräfte ihre eigene und die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden stärken können“ von Antonia Kaluza empfohlen.
Literatur:
Kaluza, A. J. (2024). Führung und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Wie Führungskräfte ihre eigene Gesundheit und die von Mitarbeitenden stärken können. Hogrefe. doi.org/10.1026/03272-000
Kaluza, A. J., Schuh, S. C., Kern, M., Xin, K., & van Dick, R. (2020). How do leaders' perceptions of organizational health climate shape employee exhaustion and engagement? Toward a cascading-effects model. Human Resource Management, 59(4), 359–377. doi.org/10.1002/hrm.22000
Klebe, L., Felfe, J., & Klug, K. (2021). Healthy leadership in turbulent times: The effectiveness of health-oriented leadership in crisis. British Journal of Management, 32(4), 1203–1218. doi.org/10.1111/1467-8551.12498
Pundt, F., & Felfe, J. (2017). Health-oriented leadership. Instrument zur Erfassung gesundheitsförderlicher Führung. Hogrefe.