AD(H)S und Suchterkrankungen: Ein unterschätzter Risikofaktor

Suchterkrankungen gehören zu den dritthäufigsten psychischen Störungen in Deutschland. Interessanterweise zeigen Studien, dass viele von ihnen zusätzlich an einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (AD(H)S) leiden. Die Forschung hat herausgefunden, dass eine AD(H)S-Diagnose, insbesondere wenn sie bereits in der Kindheit gestellt wurde, ein stabiler Prädiktor für den Konsum von Tabak, Alkohol und illegalen Drogen im Erwachsenenalter ist (Dirks et al., 2017).

 

Trotz dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse wird AD(H)S oft als „Modeerkrankung“ abgetan, und Betroffene werden belächelt, als wären sie der „Zappelphilipp“ aus der gleichnamigen Geschichte von Heinrich Hoffmann aus dem Jahr 1845. Heute wissen wir, dass die Realität von AD(H)S weitaus komplexer ist. Es handelt sich um eine genetisch bedingte neurobiologische Kondition, die Vor- und Nachteile mit sich bringt. Die Symptome an sich sind nicht zwingend krankhaft, oft sind es vielmehr die Missverständnisse und Konflikte im sozialen und beruflichen Umfeld, die für die Betroffenen belastend sind.

 

AD(H)S bei Erwachsenen: Mehr als nur Unruhe

 

Während AD(H)S bei Kindern häufig durch Unruhe, ständiges Zappeln und lautes Verhalten auffällt, zeigt sich die Störung bei Erwachsenen auf andere Weise. Sie haben beispielsweise Schwierigkeiten, pünktlich zu sein, vergessen häufig wichtige Termine oder verlieren das Zeitgefühl. Multitasking, etwa das Jonglieren von zehn Aufgaben gleichzeitig, ist ebenfalls typisch. Diese ständige Reizüberflutung kann es Menschen mit AD(H)S schwer machen, sich den Anforderungen des modernen Arbeitslebens anzupassen. Kreative Ideen sprudeln unaufhörlich, während von ihnen oft präzise und strukturierte Arbeit erwartet wird. Die Unfähigkeit, diese Anforderungen zu erfüllen, erzeugt oft eine innere Anspannung, die auf Dauer schwer zu ertragen ist. Jeder Mensch braucht einen Weg, um mit Stress umzugehen, aber für Menschen mit AD(H)S kann dies zu einem Teufelskreis werden.

 

Konsum als Kompensation von innerer Anspannung

 

Um den inneren Druck zu lindern oder unangenehme Gefühle zu kompensieren, greifen manche Menschen mit AD(H)S zu Substanzen wie Alkohol oder Cannabis. Diese Substanzen bieten kurzfristige Erleichterung, verschärfen jedoch langfristig die Probleme. Die Gefahr einer Suchtentwicklung ist bei Menschen mit AD(H)S besonders hoch, da sie oft nach einem Ventil für ihre überschüssige Energie und ihre ständige innere Anspannung suchen.

 

Prävention durch Bewusstsein und Verständnis

 

Ein tieferes Verständnis von AD(H)S und seinen Herausforderungen ist der Schlüssel zur Prävention. Anstatt Betroffene zu stigmatisieren oder zu belächeln, sollten wir uns mit dem Thema der Neurodiversität auseinandersetzen und lernen, wie wir diese Menschen in unserer Gesellschaft besser unterstützen können. Missverständnisse und Konflikte im beruflichen oder privaten Umfeld könnten so vermieden werden.

 

Der Zusammenhang zwischen AD(H)S und dem Risiko einer Suchterkrankung zeigt, wie wichtig es ist, aufmerksam zu bleiben, zu reflektieren und präventiv zu handeln. Ein offener Dialog über diese Themen könnte nicht nur zu mehr Akzeptanz führen, sondern auch Betroffenen helfen, bessere Wege zur Regulation ihrer Emotionen und Bedürfnisse zu finden.